Unter dem Titel “Hausverwaltung im Schneckentempo – Finanzielle Auswirkungen für die Eigentümergemeinschaft” möchte ich einige Beispiele beschreiben, die verdeutlichen, dass ein langsames Handeln einer Hausverwaltung finanzielle Auswirkungen für Eigentümergemeinschaften haben kann. In dem heutigen “Teil 1” dieses Schwerpunktes geht es um die Gültigkeitsdauer von Kostenvoranschlägen.
In dem Artikel “Unzufrieden mit der Hausverwaltung? Zuständigkeiten der Baupolizei (Teil 4 – gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsmaßnahmen)” habe ich beschrieben, wie ich in “meiner” Liegenschaft – ich besitze 0,74% der Liegenschaftsanteile – rund 14 Monate darauf warten musste, bis ein gesetzlich vorgeschriebener Handlauf montiert wurde. In dem Artikel “Kennt Ihre Hausverwaltung den Unterschied zwischen ordentlichen und außerordentlichen Agenden (Teil 1)?” habe ich ein weiteres Beispiel beschrieben, auch darin ging es um die Montage von Handläufen, und auch bei diesem Beispiel musste ich mehr als 14 Monate darauf warten, dass diese Handläufe montiert wurden.
In dem heutigen Artikel nehme ich auf beide Beispiele wieder Bezug, allerdings nur oberflächlich, denn es geht um die potentiellen negativen Auswirkungen, die Eigentümergemeinschaften erleiden können, wenn Hausverwaltungen im Schneckentempo arbeiten. In den von mir beschriebenen Beispielen wurden die Eigentümerinnen und Eigentümer am 2. Oktober 2023 schriftlich über die Kosten dieser Maßnahmen informiert, die Handläufe wurden im Juni 2024 montiert. Es gab laut Angaben der Hausverwaltung also Anfang Oktober 2023 bereits Kostenvoranschläge – aber waren diese Kostenvoranschläge im Juni 2024 noch gültig? Oder führte das Schneckentempo der Hausverwaltung dazu, dass die Unternehmen von ihren (hoffentlich verbindlichen) Kostenvoranschlägen entbunden wurden und der Eigentümergemeinschaft dadurch zusätzliche Kosten entstanden?
Für die Montage (Material und Arbeitszeit) der drei Handläufe, die in den beiden beschriebenen Beispielen genannt wurden, holte die Hausverwaltung laut eigenen Angaben Kostenvoranschläge ein. Ich schreibe “laut eigenen Angaben”, weil ich als Eigentümerin nicht das Recht habe, mir diese Kostenvoranschläge von der Hausverwaltung vorlegen zu lassen. Es geht um mein Eigentum und um mein Geld und darum, was mit meinem Geld gemacht wird, und trotzdem gibt mir das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) 2002 nicht das Recht, Einblick in Kostenvorschanschläge zu nehmen. Auch in der Judikatur habe ich dazu nichts gefunden.
Ich will an dieser Stelle alle Abgeordneten zum Nationalrat, insbesondere die Klubvorsitzenden aller Parteien im Nationalrat (August Wöginger/ÖVP, Andreas Babler/SPÖ, Herbert Kickl/FPÖ, Sigrid Maurer/Die Grünen und Beate Meinl-Reisinger/NEOS) direkt ansprechen und ganz deutlich sagen: Das ist eine unglaubliche Frechheit, und das WEG 2002 muss in diesem Punkt dringend geändert werden.
Es ist wichtig, dass in dem Wohnungseigentumsgesetz explizit erwähnt wird, dass Eigentümerinnen und Eigentümer das Recht haben, in alle schriftlichen Unterlagen ihrer Liegenschaft Einsicht zu nehmen. Dazu sollten nicht nur Kostenvoranschläge zählen, sondern auch Verträge, die Hausverwaltungen mit Firmen abschließen, z. B. für die Grünflächenbetreuung oder die Hausbetreuung der Liegenschaft. Diese Gesetzeslücke im WEG 2002 muss unbedingt geschlossen werden.
In meiner Artikelserie über Hausverwaltung im Wohnungseigentum werde ich viele Beispiele anführen, die zeigen, wie das WEG 2002 die Eigentümerinnen und Eigentümer von Liegenschaften entmachtet und eine Überprüfung der “emsigen und redlichen” Verwaltung, so wie sie § 1009 ABGB vorschreibt, de facto unmöglich macht. Die ersten bereits geschriebenen Artikel geben einen Überblick darüber, wie die derzeitige Über-“Macht” von Hausverwaltungen in der jetzigen Fassung des WEG 2002 die Eigentümerinnen und Eigentümer von Liegenschaften benachteiligt.
Ich kann also nicht überprüfen, ob die Hausverwaltung “meiner” Liegenschaft wirklich Kostenvoranschläge eingeholt hat, wie viele Kostenvoranschläge eingeholt wurden, von welchen Firmen Kostenvoranschläge eingeholt wurden, ob unverbindliche oder verbindliche Kostenvoranschläge eingeholt wurden oder welcher Kostenvoranschlag ausgewählt wurde. An dieser Stelle möchte ich einfügen: Es gilt die Unschuldsvermutung und eigentlich glaube ich, dass in den von mir beschriebenen Fällen Kostenvoranschläge eingeholt wurden. Aber ich kann es nicht überprüfen. Somit kann ich auch nicht prüfen, ob emsig und redlich gehandelt wurde – das WEG 2002 ermöglicht mir in dieser Hinsicht keine Kontrolle der Hausverwaltung.
Nehmen wir also an, dass in den von mir beschriebenen Beispielen jeweils drei Kostenvoranschläge eingeholt wurden und alles rechtmäßig ablief. Dann haben wir trotzdem noch ein riesiges Problem: Das Schneckentempo, in dem die Hausverwaltung gehandelt hat.
Denn die Eigentümergemeinschaft ist eine juristische Person. Während Kostenvoranschläge an Verbraucherinnen und Verbraucher in der Regel verbindlich sind (außer es wird Unverbindlichkeit vereinbart), ist es bei juristischen Personen genau umgekehrt: Kostenvoranschläge sind in der Regel unverbindlich, außer es wird Verbindlichkeit vereinbart. Ich erwarte selbstverständlich, dass eine Hausverwaltung immer darauf achtet, dass die für die Eigentümergemeinschaft eingeholten Kostenvoranschläge verbindlich sind – aber ich kann das nicht nachprüfen, weil ich als Miteigentümerin einer Liegenschaft nicht das Recht habe, in diese Kostenvoranschläge Einblick zu nehmen. Das ist pervers und eine Entmachtung der Eigentümerinnen und Eigentümer durch den Gesetzgeber, die unentschuldbar ist.
In vielen Fällen werden Kostenvoranschläge eingeholt, wenn es um Agenden der außerordentlichen Verwaltung geht, bei denen die Eigentümergemeinschaft darüber abstimmen muss, ob eine bestimmte Maßnahme durchgeführt wird. In solchen Fällen legt eine Hausverwaltung den Eigentümerinnen und Eigentümern in der Regel ein Abstimmungsformular vor, auf dem die Kosten für die geplante Maßnahme angeführt sind. Diese Kosten sind eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Eigentümerinnen und Eigentümer.
Ich weiß, dass unverbindliche Kostenvoranschläge zwar auch nicht nach Lust und Laune von dem anbietenden Unternehmen erhöht, sondern nur um zirka 10-15% überschritten werden dürfen, ohne dass das für das anbietende Unternehmen Konsequenzen hat. Als Eigentümerin erwarte ich von “meiner” Hausverwaltung zumindest, dass auf dem Abstimmungsformular, das mir zur Unterschrift vorlegt wird, angegeben wird, ob unverbindliche oder verbindliche Kostenvoranschläge eingeholt wurden und wie lange diese Kostenvoranschläge gültig sind – und ich erwarte, dass die Hausverwaltung Alles tun wird, damit diese Kostenvoranschläge eingehalten werden und die Arbeiten zügig in Auftrag gegeben werden.
Wenn es um Handläufe geht, die nur wenige Hundert Euro kosten, ist eine Überschreitung von Kostenvoranschlägen ärgerlich, aber ein potentieller finanzieller Schaden für eine Eigentümergemeinschaft wäre verkraftbar.
Wenn eine Gesamtrenovierung einer großen Liegenschaft durchgeführt wird, die z. B. rund vier Millionen Euro kostet und die Kosten für die Renovierung z. B. 25% höher ausfallen als laut Kostenvoranschlägen kalkuliert wurde, dann sind das zusätzliche Kosten in der Höhe von einer Million Euro. Dabei berücksichtige ich noch gar nicht, dass Hausverwaltungen für die administrative Bauverwaltung zusätzliche Honorare an Eigentümergemeinschaften stellen, die in der Regel als Prozentsatz der tatsächlichen Kosten vereinbart werden.
Wenn eine Hausverwaltung z. B. 4% der Kosten an Bauverwaltungshonorar verrechnet, dann sind das 40.000,00 Euro zusätzliche Kosten, wenn eine Renovierung statt vier Millionen letztendlich fünf Millionen kostet, nur weil statt verbindlichen Kostenvoranschlägen unverbindliche Kostenvoranschläge eingeholt wurden. Und ich als Eigentümerin habe trotzdem nicht das Recht, in die Kostenvoranschläge, die im Namen der Eigentümergemeinschaft eingeholt wurden, Einblick zu nehmen? Das ist für mich absolut inakzeptabel, weshalb ich von den Abgeordneten zum Nationalrat auch eine Gesetzesänderung des WEG 2002 einfordere.
Wie bereits erwähnt, werden alle Kostenvoranschläge in der Regel mit einem “Ultimatum” ausgestellt, also einem Datum, bis zu dem der Kostenvoranschlag gültig bleibt. Rechtsgrundlage dafür ist wieder das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, und zwar § 1170a ABGB. Zwar gibt es meines Wissens nach keine exakte Vorgabe, wie lange Kostenvoranschläge gültig sein müssen, aber meine Erfahrung ist, dass sie in der Regel nur ein paar Wochen, maximal 3-6 Monate gültig sind. Ich habe noch nie einen Kostenvoranschlag gesehen, der rund neun Monate lang gültig ist, so wie das bei der Montage der Handläufe notwendig gewesen wäre.
Auch wenn die Hausverwaltung “meiner” Liegenschaft also z. B. darauf geachtet hat, einen verbindlichen Kostenvoranschlag einzuholen – was ich nicht weiß, weil ich es nicht nachprüfen kann -, besteht immer noch das Problem der Gültigkeitsdauer und ich wage zu behaupten, dass die eingeholten Kostenvoranschläge, die eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Eigentümerinnen und Eigentümer bei der durchgeführten Abstimmung waren, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Handläufe letztendlich montiert wurden, schon lange nicht mehr gültig waren.
Wie viel haben die Handläufe, die in “meiner” Liegenschaft montiert wurden, letztendlich wirklich gekostet? Das werde ich frühestens im Frühjahr 2025 wissen, da die Hausverwaltung erst mit Ende März 2025 die Jahresabrechnung des Jahres 2024 vorlegen muss. Wird es eine Diskrepanz zwischen den Kosten geben, die den Eigentümerinnen und Eigentümern im Oktober 2023 genannt wurden und den tatsächlichen Kosten, die nach der Montage im Juni 2024 verrechnet wurden? Ich bin schon sehr gespannt…
Aus diesen Beispielen ergeben sich für mich zwei grundlegende Fragen:
1) Wenn eine Hausverwaltung eine bestimmte Summe für die Kosten von Erhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahmen angibt und diese Kosten dann überschritten werden, weil die Gültigkeitsdauer von Kostenvoranschlägen aufgrund des Schneckentempos einer Hausverwaltung überschritten wird, ist die Hausverwaltung dann haftbar für die zusätzlichen Kosten? Kann die Eigentümergemeinschaft Schadenersatzansprüche stellen? Kann eine einzelne Miteigentümerin oder ein einzelner Miteigentümer Schadenersatzansprüche stellen?
2) Eine weitere wichtige Frage ist, zu welchem Zeitpunkt ich in Belege eines laufenden Verwaltungsjahres Einblick nehmen kann. Auch wenn ich derzeit kein Recht darauf habe, in Kostenvoranschläge Einblick zu nehmen, interessiert mich z. B. sehr, ob in den von mir beschriebenen Beispielen die tatsächlich verrechneten Kosten zumindest mit den Kosten, die die Hausverwaltung den Eigentümerinnen und Eigentümern laut eigenen Angaben auf Basis eingeholter Kostenvoranschläge schriftlich mitgeteilt hat, übereinstimmen. Die Handläufe wurden im Juni 2024 montiert, Unternehmen müssen innerhalb von sechs Monaten Rechnungen stellen, in diesem Fall also spätestens im Dezember 2024. Firmen haben in der Regel aber großes Interesse daran, so schnell wie möglich Rechnungen auszustellen, ich vermute deshalb, dass die Rechnungen für die Handläufe bereits im Juli 2024 an die Eigentümergemeinschaft ausgestellt wurden. Darf ich bereits im August 2024 Einblick in Belege des laufenden Verwaltungsjahres nehmen?
Ich bin zwar keine Juristin, aber ich wenn ich mir die Rechtssätze (z. B. RS0123167)
und Entscheidungstexte zu dieser Frage anschaue, z. B. 5Ob169/15m, 5Ob9/10z, denke ich mir eigentlich, dass ich jederzeit Einblick zumindest in die Belege und Kontobewegungen der Konten der Eigentümergemeinschaft nehmen darf und dieses Recht nur durch den Begriff der “Schikane” (5Ob11/08s) eingeschränkt wird. Daraus würde ich eigentlich schließen, dass ich auch das Recht habe, in die Belege und Kontobewegungen eines laufenden Verwaltungsjahres Einblick zu nehmen – aber sicher bin ich mir nicht. Das muss ich noch prüfen.