Please note: I first published this book review on the “Goodreads”-website in 2022.
Meine Bewertung: 3 (of 5) “stars”
Ich habe mir eine Kopie des Buches aus einer Bibliothek ausgeborgt. Sie können ein neues Exemplar dieses Buches auch heute noch vom Suhrkamp Verlag kaufen.
Ich war 17 Jahre alt, als das Buch – ein Roman – im Jahr 1984 veröffentlicht wurde und kann mich vage an den damaligen Skandal erinnern. Aber erst jetzt, im Jahr 2022, habe ich “Holzfällen” zum ersten Mal gelesen, und es ist überhaupt das erste Buch von Thomas Bernhard, das ich gelesen habe.
Es wird das letzte bleiben.
Ich mag Bernhards Schreibstil überhaupt nicht. Es ist ein Buch ohne Kapitel und ohne Absätze, das aus dem inneren Monolog eines namenlosen Erzählers besteht. Der Erzähler wiederholt immer und immer wieder bereits Gesagtes, die Gedanken des Erzählers drehen sich im Kreis, er tritt auf der Stelle. Nachdem ich die ersten paar Seiten gelesen habe, musste ich das Buch zur Seite legen, weil mich Bernhards Schreibstil so irritiert hat. Der Erzähler der Geschichte ist wie eine wiederkäuende Kuh, dachte ich.
Und danach habe ich das Bild dieser Kuh, die genüsslich an einem Grashalm kaut und kaut und kaut und immer weiter kaut, einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Jedesmal, wenn ich weiterlesen wollte, und wieder so eine Textpassage vorkam, in der der Erzähler nicht und nicht vom Fleck kommt und bereits Gesagtes in leicht veränderter Form wiederkäut, hatte ich diese Kuh vor meinen Augen.
Ich habe ihr schließlich einen Namen gegeben. Maisie. Und dann haben Maisie und ich tief Luft geholt und in einem einzigen Nachmittag dieses Buch zu Ende gelesen.
Rund 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung kann man immer noch nachvollziehen, warum es einen Skandal gab: Menschen, die Thomas Bernhard persönlich kannte, erkannten sich in dem Buch wieder. Die Figuren in dem Buch werden alle äußerst negativ porträtiert. Kein Wunder, dass Thomas Bernhard geklagt wurde.
Der Erzähler der Geschichte steigert sich in seine Erinnerungen hinein und urteilt – sehr gemein und sehr böse – in einem inneren Monolog über die Menschen, bei denen er als Gast zu einem “künstlerischen Abendessen” eingeladen ist sowie über die anwesenden Gäste, mit denen er in der Vergangenheit über Jahre hinweg viel Zeit verbracht hat. Jetzt sind sie ihm alle zuwider.
Die Beschreibung der Figuren und auch des österreichischen “künstlerischen” Lebens finde ich sehr gut und lebensecht. Als Wienerin bin ich mit all diesen Typen und Zuständen gut vertraut. Ich würde diese Gesellschaftsschicht als “Seitenblicke”-Partie bezeichnen, als Menschen, die sich nach Ruhm sehnen und alles dafür tun würden, um in Klatschspalten und Gesellschafts-TV-Nachrichten wie den “Seitenblicken” auftreten zu dürfen. Die Darstellung dieser Menschen und der besonderen österreichischen Zustände des kulturellen Lebens finde ich sehr gelungen, und deshalb gebe ich diesem Buch auch drei “Sterne”.
Ob die Figuren Ähnlichkeiten mit echten Menschen haben, kann ich nicht sagen, es ist mir auch egal. Da merkt man schon, dass mittlerweile vier Jahrzehnte vergangen sind. Mit einer Internetrecherche kann ich die Namen der Menschen, die angeblich den Figuren zugrunde liegen, schnell herausfinden. Nur ein einziger Name ist mir bekannt, der einer Schriftstellerin, auf der angeblich die Figur der Anna Schreker basiert. Aber selbst von dieser Schriftstellerin habe ich noch nie ein Buch gelesen. Der Erzähler in “Holzfällen” beschreibt die meisten Menschen, von denen er erzählt, als unwichtige Personen, die sich und ihre Kunst wichtig nehmen, die aber eigentlich Nichts können und sich selbst überschätzen. Die Tatsache, dass nur wenige Jahrzehnte nach der Veröffentlichung dieses Buches Lesende nicht einmal mehr wissen, wer die echten Menschen waren, auf denen die Figuren der Geschichte angeblich basieren, gibt dem Erzähler posthum Recht, auch wenn hier Fact und Fiction verschwimmen. Das gefällt mir, das entspricht meinem Sinn für Humor.
Der Erzähler der Geschichte wirkt auf mich äußerst unsympathisch. Er übt zwar ausführlich Selbstkritik, aber er jammert sich durch die Geschichte und es fehlt ihm auch nicht an Selbstmitleid. Das macht ihn für mich zu einer unsympathischen Figur. Ich war froh, als das “künstlerische Abendessen” vorbei und die Geschichte zu Ende war.