Wie ich in meinem letzten Artikel beschrieben habe, kann man den Aufgabenblock des “Winterdienstes” auf acht separate Aufgaben aufteilen, für die jeweils unterschiedliche rechtliche Bedingungen gelten. Ich bin keine Juristin, ich gebe keine Rechtsauskunft. Ich beschreibe in meinen Artikeln nur, wie ich bestimmte Situationen gelöst habe, welche Lehren ich daraus ziehe und wie ich in Zukunft mit ähnlichen Situationen umzugehen zu plane. Ich bin zu 0,74% Miteigentümerin einer großen Liegenschaft in Wien, und ich will meine Hausverwaltung loswerden, weil ich mit der Leistung der Firma überhaupt nicht zufrieden bin.
In diesem Artikel beschreibe ich eine Situation, die “Punkt 7” meines letzten Artikels über die Aufgaben des Winterdienstes betrifft, nämlich die Entfernung der Auftaumittel (“Streusalz”) oder Streumittel (“Steusplitt”) von den öffentlichen Gehsteigen, für deren Betreuung die Eigentümergemeinschaft zuständig ist, sobald diese für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nicht mehr notwendig sind sowie die Reinigung dieser Flächen.
Es geht in diesem Artikel nur um “Streusplitt”, nicht um die Entfernung von “Streusalz”.
Ich habe am 18. März 2024 eine Anzeige bei der Wiener Magistratsabteilung (MA) 58 eingebracht, die sich auch prompt darum gekümmert hat. Am nächsten Tag, um 9:00 Uhr in der Früh, wurde der “Streusplitt” entfernt, um den sich zuvor mehrere Wochen lang niemand gekümmert hatte, obwohl eine externe Firma mit dem Winterdienst der Liegenschaft betreut ist. Meine größte Kritik gilt aber nicht der Winterdienstfirma, sondern der Hausverwaltung, die den Vertrag mit der Winterdienstfirma im Namen der Eigentümergemeinschaft abgeschlossen hat und die sich darum kümmern müsste, dass der Winterdienst auch wirklich klappt.
Als ich mich dazu entschloß eine Anzeige zu erstatten, musste ich zuerst relevante Informationen recherchieren. Ich wußte zum Beispiel nicht, wann bzw. wie oft während einer Wintersaison zuvor ausgestreuter “Streusplitt” entfernt werden muß. Reicht eine einmalige Entfernung am Ende der Wintersaison? Wann endet die Wintersaison? Muss der “Steusplitt” während der Wintersaison öfter entfernt werden, wenn Schnee z. B. weggeschmolzen ist und bevor es ein weiteres Mal schneit? Und wie lange nach der Schneeschmelze muß der “Streusplitt” entfernt werden? Am nächsten Tag? Eine Woche später? All das sind wichtige Details, die ich zuerst recherchieren musste.
In einer von der MA 48 herausgegebenen Informationsbroschüre, “Schnee und Eis in Wien. Informationen für Liegenschaftseigentümer*innen in Wien” (Neuauflage Stand 1.12.2023) habe ich auf Seite 5 folgende wichtige Information gefunden: “Sind die ausgebrachten Streumittel für die Verkehrssicherheit nicht mehr erforderlich, müssen diese wieder eingekehrt werden.” Es muss also während der Wintersaison mehrmals “Streusplitt” entfernt werden, wenn es mehrmals schneit und der Schnee in der Zwischenzeit wegschmilzt. Damit war klar, dass meine Anzeige am 18. März 2024 gerechtfertig war, denn zu diesem Zeitpunkt lag schon seit mehreren Wochen kein Schnee mehr.
Unklar ist mir auch jetzt noch, wie schnell nach der Schneeschmelze der “Streusplitt” entfernt werden muss. Diesbezüglich konnte ich keine verlässlichen Angaben finden und werde bei Gelegenheit noch weitere Recherchen anstellen.
Ich wußte, als ich mit den Recherchen begann, auch nicht, wer für die Entfernung des “Streusplitts” zuständig ist. Ich wußte, dass eine externe Firma Auftaumittel und Streumittel ausstreut, aber war sie von der Hausverwaltung auch mit der Entfernung dieser Mittel beauftragt worden? Oder wurde diese Aufgabe an die Hausbetreuerin unserer Anlage überantwortet?
Ich habe über mehrere Wochen hinweg mehrmals die Hausverwaltung meiner Liegenschaft kontaktiert und Einsicht in den Vertrag mit der Winterdienstfirma verlangt. Ich wurde so lange ignoriert, dass ich nicht länger zuwarten konnte bzw. wollte und mich letztendlich dazu entschloß meine Anzeige zu einem Zeitpunkt zu erstatten, an dem ich den Vertrag noch gar nicht gelesen hatte.
Die Frage, wer für die Entfernung des “Streusplitts” zuständig ist, konnte ich allerdings rechtzeitig eindeutig recherchieren. Eine Hausbetreuerin oder ein Hausbetreuer darf auf keinen Fall Streusplitt entfernen, was in den “Erläuterungen zum Mindestlohntarif für Hausbetreuerinnen und Hausbetreuer für Österreich (in der ab 1. Jänner 2018 geltenden Fassung)” unter Punkt 8.4 explizit erwähnt wird: “Das Entfernen des Streusplitts obliegt ausschließlich der Winterbetreuung.”
Nachdem ich diesen Punkt geklärt hatte, wusste ich, dass ich die Anzeige bei der MA 58 erstatten konnte, obwohl mir die Hausverwaltung zum damaligen Zeitpunkt den Vertrag mit der Winterdienstfirma noch nicht vorgelegt hatte.
Eine weitere Frage, die ich vorab klären musste, war die Zuständigkeit der Behörden. Ich dachte zuerst, dass die MA 48 für meine Anzeige zuständig ist. Nach einem Telefonat mit einem Mitarbeiter der Behörde wurde ich aber an die MA 58 verwiesen, die sich dann auch prompt um meine Anzeige gekümmert und sehr rasch reagiert hat. Danke!
In einer Anzeige an die zuständige Behörde würde es sicher reichen, wenn man erwähnt, dass an einem bestimmten Tag der “Streusplitt” noch nicht entfernt wurde und man Fotos zur Dokumentation der Lage mitschickt. Ich habe in meinem Brief die Situation ausführlich geschildert, was aber wahrscheinlich gar nicht notwendig gewesen wäre.
Wichtig sind auf jeden Fall die Angabe der genauen Liegenschaftsadresse und genaue Kontaktinformationen für die Hausverwaltung. Ich habe unter anderem den Namen der für die Betreuung meiner Liegenschaft zuständigen Mitarbeiterin der Hausverwaltung und deren Email-Adresse in meiner Anzeige angeführt, damit die MA 58 wenig Arbeit hat: Sie konnte ganz einfach meinen Brief an die Hausverwaltung per Email weiterleiten, was wahrscheinlich auch gemacht wurde.
Genaue Angaben über die Liegenschaft inklusive die Einlagezahl, die zuständige Kastralgemeinde, die Grundstück-Nummer und die offizielle Grundstück-Adresse findet man im Grundbuch und man kann sich jederzeit einen aktuellen Grundbuchauszug besorgen. Das ist nicht teuer. Auf der Webseite oesterreich.gv.at findet man eine Liste mit den Firmen und Organisationen, die autorisiert sind, Grundbuchauszüge zu erstellen. Ich habe mir einen Auszug über die “Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH” besorgt, war wunderbar geklappt hat.
Was ist noch wichtig, damit die zuständige Behörde rasch handelt? Ich habe zahlreiche Fotos gemacht, die zeigen, dass der “Streusplitt” nicht nur am Gehsteig liegt, sondern in der Zwischenzeit auch schon auf der Straße lag und über ein Kanalgitter in das Kanalsystem der Stadt Wien gelangte. Drei Fotos habe ich letztendlich in meinen Brief an die MA 58 integriert.
Für die Entfernung von Verunreinigungen auf den an eine Liegenschaft angrenzenden Gehsteigen ist – zumindest in Wien – die Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft zuständig. Für Verunreinigungen auf der Straße und für deren Entfernung ist die Stadtverwaltung zuständig. Wenn “Streusplitt” vom Gehsteig auf die Straße gelangt, dann verursacht das zusätzliche Kosten und zusätzliche Arbeit für die Stadtverwaltung. Mir war klar, dass das die Stadt Wien gar nicht mag – und sich deshalb sehr schnell darum kümmern würde, dass die Eigentümergemeinschaft bzw. die von uns beauftragte Hausverwaltung rasch den “Streusplitt” entfernt, wenn ich Anzeige erstatte.
Als ich sah, dass der “Streusplitt” über ein Kanalgitter sogar in das Kanalsystem der Stadt Wien gelangt, war mir klar, dass die Hausverwaltung von der MA 58 in Lichtgeschwindigkeit beauftragt werden würde, sich um die Entfernung des “Streusplitts” zu kümmen. Denn wenn es um die Verunreinigung des Wassers geht, kennt die Stadtverwaltung kein Pardon.
Ich habe in meinem Brief an die MA 58 u. a. Folgendes geschrieben: Ich bitte, dass Sie dringend handeln und die Hausverwaltung zur Entfernung des Streusplitts zwingen. Es ist nicht in meinem Interesse als Miteigentümerin dieser Liegenschaft, dass Gesetze nicht eingehalten werden. In einer von der MA 48 herausgegebenen Informationsbroschüre, “Schnee und Eis in Wien. Informationen für Liegenschaftseigentümer*innen in Wien”, steht auf Seite 15: “Wenn zuständige Liegenschaftseigentümer*innen die Einkehrverpflichtung mißachten, müssen sie mit den Kosten der Ersatzvornahme und einer Verwaltungsstrafe rechnen.”
Ich weiß nicht, ob die MA 58 die Eigentümergemeinschaft mit einer Verwaltungsstrafe belegt hat, das wird sich erst zeigen, wenn die Hausverwaltung im Frühjahr 2025 die Jahresabrechnung für das Jahr 2024 vorlegt. Ich bezweifle aber, dass die Hausverwaltung eine eventuelle Verwaltungsstrafe an die Eigentümergemeinschaft weiterverrechnen würde. Die Aufteilung der Pflichten ist ja klar: Die EigentümerInnen einer Liegenschaft bezahlen die Hausverwaltung dafür, dass sie sich um die Verwaltung der Liegenschaft kümmert. Und wenn sie sich nicht kümmert und die Behörden Verwaltungsstrafen verhängen, dann sollen diese Strafen gefälligst von der Hausverwaltung bezahlt werden und nicht aus dem Vermögen der Eigentümergemeinschaft beglichen werden.
Wie ich hoffentlich aufzeigen konnte, kann man als einzelne Eigentümerin in denjenigen Fällen am schnellsten und mit dem geringsten Aufwand Druck auf die Hausverwaltung ausüben, in denen man diesen Druck indirekt über die Behörden ausüben kann. Der “Streusplitt” wurde gleich am Tag nach meiner Anzeige von den Gehsteigen außerhalb der Liegenschaft entfernt und die Firma, die für den Winterdienst verantwortlich ist, hat auch den Streusplitt von den Flächen innerhalb der Liegenschaft entfernt (siehe dazu “Punkt 8” meines letzten Artikels). Unklar ist mir zum jetzigen Zeitpunkt, welche Macht die MA 58 innerhalb der Liegenschaft hat. Ich bin mir nicht sicher, ob die Behörde die Hausverwaltung anweisen könnte, den “Streusplitt” von den Flächen innerhalb der Liegenschaft zu entfernen. Mit diesem speziellen Thema werde ich mich zu einem späteren Zeitpunkt in einem separaten Artikel beschäftigen.
Was habe ich gelernt aus dieser Situation? Die Eigentümergemeinschaft muss in ihrem Vertrag mit der Hausverwaltung ganz klare und explizite Angaben machen, was sie sich vom Winterdienst erwartet. Den Vertrag, den meine Hausverwaltung mit der Winterdienstfirma abgeschlossen hat, finde ich schlecht, weil er viel zu oberflächlich formuliert ist. Und in dem Vertrag zwischen der Hausverwaltung und den Eigentümerinnen und Eigentümern findet man überhaupt keine detaillierten Informationen in Bezug auf die einzelnen Aufgaben der Hausverwaltung. Beide Verträge sind sehr oberflächlich formuliert – das geht auf jeden Fall besser. Sogar ich – als Nicht-Juristin – könnte bessere Vertragstexte ausformulieren, was ich auch machen werde.
Mit der Vertragsgestaltung werde ich mich in einem separaten Artikel zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich beschäftigen.