Als 0,74%-Miteigentümerin einer großen Liegenschaft in Wien kann ich alleine nicht viel bewirken, wenn sich meine Hausverwaltung nicht zu meiner Zufriedenheit um die Verwaltung der Liegenschaft kümmert. Ich bin mit den Leistungen meiner Hausverwaltung äußerst unzufrieden und möchte sie gerne loswerden. Aber das ist insbesondere bei großen Liegenschaften nicht einfach, ein Gerichtsantrag eines einzelnen Miteigentümers bzw. einer einzelnen Miteigentümerin auf Absetzung einer Hausverwaltung wegen “grober Pflichtverletzung” ist möglich, aber zeitaufwendig und kostenintensiv. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, vorerst einmal alle Möglichkeiten auszuloten, die sich mir als Einzelperson bieten, um meine Hausverwaltung zu einer besseren Leistung zu zwingen.
Wer kann eine Hausverwaltung dazu zwingen, dass sie handelt? Behörden!
Aus diesem Grund sind Behörden die besten Ressourcen für einzelne Miteigentümerinnen und Miteigentümer von Liegenschaften und es zahlt sich aus, sich umfassend darüber zu informieren, welche Rechte unterschiedliche Behörden im Zusammenhang mit Liegenschaften haben.
Als einzelne Miteigentümerin einer Liegenschaft kann ich indirekt über Behörden den größten Druck mit minimalem Aufwand auf eine Hausverwaltung ausüben.
Ich bin keine Juristin und gebe keine Rechtsauskunft. In meinen Artikeln beschreibe ich nur, wie ich mit bestimmten Situationen umgehe und welche Lehren für die Zukunft ich daraus ziehe. Heute schildere ich meine Recherchen in Bezug auf die Baupolizei und beschreibe, wie ich das Rechtsinfomationssystems des Bundes nutze.
In drei weiteren Artikeln werde ich schildern, welche Anzeigen ich bei der Baupolizei bereits erstattet habe. Ich liebe die Wiener Baupolizei!
Die Baupolizei, die nur im Volksmund so heißt, kann Druck auf Hausverwaltungen ausüben, wenn diese sich in bestimmten Fällen nicht gesetzeskonform um den Erhalt einer Liegenschaft kümmern. In Wien ist die zuständige Behörde – die “Baupolizei” – die Magistratsabteilung (MA) 37.
Auf der Webseite der MA 37 finde ich die für meinen Bezirk zuständige Gebietsgruppe mit Addressangabe, Telefonnummer und Email-Adresse.
Behörden handeln auf Basis von Gesetzen, deshalb muss ich zuerst recherchieren, welche Gesetze für meine jeweilige Situation relevant sind.
Wenn man sich noch nie mit Gesetzen beschäftigt hat, kann man sich leicht von Gesetzestexten eingeschüchtert fühlen. Aber je mehr Gesetzestexte ich las, desto einfacher wurde es und heute schrecke ich nicht mehr davor zurück. Ich drucke mir Gesetze aus und lese sie mir in aller Ruhe einmal zur Gänze durch. Vieles verstehe ich beim ersten Lesedurchgang gar nicht, aber danach arbeite ich mich Satz für Satz durch die einzelnen Artikel oder Paragraphen. Gesetze sind exakt formulierte Texte. Zu fast allen Gesetzesparagraphen gibt es zudem höchstgerichtliche Entscheidungen, die beim Verständnis von Gesetzestexten helfen.
Falls Sie noch nie einen Gesetzestext gelesen haben, rate ich zum Lesen der Bundesverfassung und der dazugehörigen höchstgerichtlichen Entscheidungen. Das ist eine gute Einführung für Menschen ohne juristische Kenntnisse.
Oft weiß ich am Beginn meiner Recherchen gar nicht, welche Gesetze ich suche – ich bin ja keine Juristin. Aber ich weiß, dass ich alle österreichischen Gesetze ganz leicht in dem Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) finde, wo ich auch alle höchstgerichtlichen Entscheidungen finden kann.
Deshalb gebe ich zu Beginn meiner Recherchen immer zuerst einen Schlüsselbegriff in meinen Internetbrowser ein, wenn ich ein Gesetz suche, und schreibe zusätzlich “ris.bka.gv.at”. Außerdem schreibe ich immer zusätzlich “§ 0”. Denn wenn ich den “Paragraphen Null” angebe, bekomme ich als Suchresultat immer das, was ich als “Titelei” eines Gesetzes bezeichne, nämlich die wichtigsten grundsätzlichen Angaben übe das aufgerufene Gesetz.
Gleich unter dem offiziellen Titel des Gesetzes gibt es dann in der RIS-Datenbank einen Link zu “Gesamte Rechtsvorschrift heute”, und dort finde ich jeweils die tagesaktuelle Fassung eines Gesetzes.
Wenn es also z. B. um den Erhalt von Gebäuden einer Liegenschaft geht, tippe ich “Baugesetz § 0 ris.bka.gv.at” in meinen Browser. Da bekomme ich dann mehrere Ergebnisse, z. B. war der erstgereihte Treffer der von mir am 24.06.2024 durchgeführten Suche ein Link zu dem Baugesetz der Steiermark. Daran erkenne ich, dass Baugesetze Landesgesetze sind und für jedes Bundesland unterschiedliche Baugesetze gelten.
Das für mich als Wienerin relevante Baugesetz ist die “Bauordnung für Wien” (BO für Wien).
Wenn ich auf diesen Link klicke, komme ich zur “Titelei” der Wiener Bauordnung, ich klicke anschließend auf “Gesamte Rechtsvorschrift heute” und komme zu “Landesrecht konsolidiert Wien: Gesamte Rechtsvorschrift für Bauordnung für Wien, Fassung vom 24.06.2024”. Wenn ich zu einem späteren Zeitpunkt auf diesen Link klicken würde, würde ich die tagesaktuelle Fassung bekommen und nicht die Fassung vom 24.06.2024.
Die Wiener Bauordnung ist nicht das einzige Gesetz, das für mich als einzelne Eigentümerin einer Liegenschaft wichtig ist, es gibt noch zahlreiche andere Gesetze, die mir helfen können indirekt über Anzeigen bei Behörden Druck auf meine Hausverwaltung auszuüben. Aber die Wiener Bauordnung legimitiert die Wiener Baupolizei dazu, in bestimmten Fällen in Verwaltungsagenden von Liegenschaften einzugreifen.
Die Wiener Bauordnung ist ein umfangreiches Gesetz – und das ist gut für einzelne Miteigentümerinnen oder Miteigentümer einer Liegenschaft. Denn fast jede Kleinigkeit im Zusammenhang mit Gebäuden, aber z. B. auch mit “Vorgärten, Abstandsflächen und gärtnerisch auszugestaltende Flächen” (§ 79 BO für Wien), wird detailliert geregelt. Und wenn sich Eigentümergemeinschaften bzw. deren Hausverwaltungen nicht an die Bestimmungen dieses Gesetzes halten, kann die Baupolizei einschreiten. Je besser ich die Bauordnung für Wien kenne, desto mehr Druck kann ich auf die Hausverwaltung ausüben.
Der 9. Teil der Wiener Bauordnung ist den “Bautechnischen Vorschriften” gewidmet. Da geht es vor allem um das, was der römische Autor Vitruv schon im 1. Jahrhundert v. Chr. als Firmitas (Festigkeit) und Utilitas (Nützlichkeit) bezeichnet hat. Es geht z. B. um die Sicherheit des Gebäudes, aber auch um Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit und um Aspekte wie Schallschutz oder Wärmedämmung.
(Auch die dritte von Vitruv formulierte Anforderung an die Architektur – Venustas (Schönheit) – fällt übrigens in den Zuständigkeitsbereich der Baupolizei, nämlich in den Fällen, in denen es z. B. um Denkmalschutz geht.)
Wenn ich also nicht damit zufrieden bin, wie sich die Hausverwaltung um meine Liegenschaft kümmert, stelle ich mir selbst drei Fragen und beurteile anhand der Antworten, ob ich eine Anzeige bei der Baupolizei erstatten kann:
1) Ist das Gebäude sicher? Diese Frage betrifft z. B. Aspekte der technischen Standfestigkeit oder des Brandschutzes.
2) Kann das Gebäude sicher genutzt werden? Hierbei geht es z. B. darum, ob alle vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen erfüllt werden, z. B. das Anbringen von Handläufen.
3) Besteht durch das Gebäude Gefahr für die Gesundheit oder das Leben von Menschen? Bei diesem Punkt geht es z. B. um herabfallende Gebäudeteile.
Ich habe schon drei Anzeigen bei der Baupolizei erstattet, die auch in allen drei Fällen eingeschritten ist. Meine Anzeigen betrafen Punkt 2 und 3: die sichere Nutzung des Gebäudes bzw. der Stiegen und Wege innerhalb der Liegenschaft und Gefahr für die Gesundheit oder das Leben von Menschen.
Der beste Paragraph der Wiener Bauordnung ist aus meiner Sicht der Paragraph 129 Absatz 3 der Wiener Bauordnung:
“Den Vertretern der Behörde ist zur Ermöglichung der Aufsicht über den Bauzustand und der Überwachung der genauen Einhaltung der den Eigentümern (Miteigentümern) und etwaigen Benützern des Bauwerkes gesetzlich obliegenden Verpflichtungen der Zutritt zu allen Teilen eines bestehenden Bauwerkes zu jeder Tageszeit, bei Gefahr im Verzuge auch zur Nachtzeit zu gestatten; hiebei ist auf die in anderen Gesetzen enthaltenen Vorschriften und Verbote Bedacht zu nehmen. Der Eigentümer (jeder Miteigentümer), der Hausbesorger und die Benützer der Bauwerke sind verpflichtet, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen” (§ 129 Abs. 3 BO für Wien).
Denn das bedeutet, dass die Macht der Baupolizei nicht an der Grundstücksgrenze endet, sondern sich ihre Macht auf die gesamte Liegenschaft erstreckt. Die Baupolizei kann eine Eigentümergemeinschaft bzw. deren Hausverwaltung zum Handeln zwingen. Für mich als einzelne Eigentümerin ist das sehr wertvoll. Ich kann indirekt mit minimalem Aufwand als einzelne Miteigentümerin auf die Hausverwaltung Druck ausüben.
In den nächsten drei Artikeln werde ich beschreiben, wie ich drei verschiedene Hausverwaltungen indirekt – über den Umweg der Baupolizei – zum Handeln gezwungen habe.